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    Gastbeitrag von Pia Kleine Wieskamp: Ich nutz’ dann mal das Computer-Videogerät

    09. August 2016 von Diana Heinrichs

    Ich gestehe, dass ich bald meinen 57ten Geburtstag feiern werde. Manche „Fachpersonen“ in Magazinen, Büchern oder Schulungsunternehmen bezeichnen mich bereits als Silver-Surfer. What? Nie und nimmer werde ich diesen Ausdruck akzeptieren.

    Ich beschäftige mich seit meinem 18. Lebensjahr mit Computern und bin Frau der ersten Stunde im WWW. Der Übergang von der „Schreibmaschine“ – damals war eine solche Fingerfertigkeit ein gefragter Standard – zu Lochkarten viel mir dann während des Studiums auch nicht so schwer. Ich benötigte nur einen Grund, eine Motivation, mich mit den Blechmaschinen auseinanderzusetzen.

    Genauso geht es vielen Menschen. Neben der Motivation gilt es aber auch Ängste abzubauen, Ängste wie „Ich stelle falsche oder dumme Fragen“, „Ich mach bestimmt das teure Gerät kaputt“ oder „Da muss ich ja Englisch können.“ Von dieser Motivation gepaart mit Abbau einiger Ängste handelt meine Geschichte:

    Letztens besuchte ich die 84-jährige Freundin meiner Mutter in einem kleinen Ort bei Köln. Dieser Ort stellte eine echte Herausforderung für mich als „Digital Nomade“ da, denn es gab keine Internetcafés oder Co-Working Stations für mich mit funktionierendem WLAN.

    Während eines gemeinsamen Mittagessens fragte ich die „junge“ Kellnerin des Restaurants, ob sie WLAN hätten oder sie mir einen solchen Ort zum Arbeiten nennen könnte. Konnte sie nicht, aber die Freundin meiner Mutter, meine Nenntante Waltraud, meinte: „Mensch Pia, warum fragst du mich denn nicht?“ Da schaute ich gerade dumm aus der Wäsche, denn an diese Möglichkeit hatte ich nie und nimmer gedacht. Natürlich ist dies auch mal wieder ein Beispiel von Vorurteilen und wie schnell man doch Menschen in Schubladen, wie die Altersschublade, steckt.

    Natürlich interessierte mich, seit wann sie denn einen PC und Internet habe und es entwickelte sich ein interessantes Gespräch, welches ich nun hier zusammenfassend wiedergeben möchte.

    Die Geschichten, wie Waltraud zur Skyperin wurde

    Ich kenne Waltraud seit meinem dritten Lebensjahr. Mittlerweile ist die Großmutter und Urgroßmutter. Ihr ältester Enkel studierte während eines Auslandsstudienjahrs in Australien. Auch wenn sie es nie vor den anderen Familienmitgliedern zugeben würde, ist Enkel Michael ihr Lieblingsenkel, mit dem sie ein inniges Verhältnis hat. So war sie vor seiner Anreise bereits traurig, ihn so lange nicht sehen oder regelmäßig mit ihm sprechen zu können, denn die Telefonkosten explodierten alleine bei dem Gedanken an wöchentlichen Telefongesprächen von über einer Stunde ins Unermessliche.

    Enkel Michael meinte:

    Kein Problem Omi, du bekommst meinen alten Computer und wir werden dann regelmäßig per Telefon miteinander reden. Das ist sogar viel besser, denn dann kannst du mich auch sehen und dich überzeugen, dass ich ausreichend esse. Nur mit den Uhrzeiten müssen wir aufpassen.

    „Bleib mir mal mit dem Teufelszeug weg“, antwortete Waldtraud ihm.  Michael wollte die Ursachen wissen und nach einigem Zögern gestand seine Oma ihm ihre größten Ängste: „Das geht doch alles nur in englischer Sprache. Das lerne ich nicht mehr.“

    Schnell beruhigte er seine Oma und rang ihr das Versprechen ab, es die nächsten Tage mit dem Computer zumindest zu versuchen. Er zeichnete eine Tastatur mit deutschen Begriffen wie „vor“ oder „zurück“, „Großbuchstaben“ etc. auf. Dann richtete es ihr eine E-Mailadresse ein und zeigte seiner Oma zunächst, wie sie ihm „Briefe“ schreiben und diese speichern kann. Als Waltraud sicher genug war, lud er seine Nichte ein, Waltrauds 5-jährige Urenkelin. Mit ihr spielte er Videotelefonie von einem Raum zum anderen.

    Das gab den Ausschlag, denn Urenkelin  Emma spricht ja auch kein Englisch. „Und was dieses Kindergartenkind kann, das kann ich doch auch“, wurde dann schnell zu Waltrauds Einstellung.

    Seitdem traut sich Waldtraud immer mehr im Umgang mit dem PC: „Klar brauche ich meine Tochter oder den Enkel, wenn der Drucker mal wieder nicht will oder so. Aber ich suche viele Informationen – auch für meine Freundinnen – im Internet. Dort bin ich die ExpertinJ Und der Kontakt zu meiner Familien, ist mit dem PC viel einfacher und näher geworden“, berichtet Waldtraud. Nur dem  Vertrauen und dem „Bezahlen“ im Internet hat sie es nicht so – dem traut sie nicht.

    Über die Autorin:

    Pia Kleine Wieskamp arbeitet als Trainerin, Fachdozentin, Bloggerin und Consulterin in PR- und Marketing. Sie war u.a. als Journalistin in TV und Print-Magazinen tätig und kann auf 30 Jahre Erfahrung in diesen Bereichen zurückgreifen.