Teamwork mit Angehörigen statt Pflegeminuten – Können / schaffen / wollen wir das?

28. Juli 2017 von Diana Heinrichs

Die Frage nach dem Teamwork in der Pflege habe ich gestern auf den 3. Bad Wimpfener Gesprächen gestellt. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg, die Malteser Werke gGmbH, Der PARITÄTISCHE und die Caritas hatten zu Workshops ins Benediktiner Kloster eingeladen. Angetrieben hatte das Quartett aus Politik und Wohlfahrt der Gedanke, wie technologische Innovationen uns als Gesellschaft voranbringen. Der Ort am Neckar eine Zugstunde von Mannheim entfernt war nicht schlecht gewählt. Denn gesellschaftliche Innovationen müssen vor allem die ländlichen Regionen ergreifen, damit wir dort nicht Horte der Einsamkeit und Gebrechen zurücklassen.

So haben wir uns im Workshop gefragt, wie wir aus der Pflege der Einzelkämpfe ein Teamwork machen. Blicken wir zurück, so zeichnet uns als Menschen, als Bürger, als Arbeitnehmer und -geber aus, dass wir uns vernetzen können. Diesen unschlagbaren Vorteil nutzen wir nicht erst seit der Gründung von Facebook. Wir haben so schon Revolutionen von Frankreich bis Russland angestoßen, Tierschutzkampagnen organisiert und dafür gesorgt, dass montags bis zum Mauerfall demonstriert wird. Nur mit den digitalen Möglichkeiten hat diese Vernetzung nochmal eine enorme Dynamik genommen. Das musste auch geschehen. Denn…

Die meisten von uns leben nicht mehr als Mehrgenerationenfamilie unter einem Dach. Wir kündigen nicht mehr den Job nach Eheschließung, gehen ins Ausland und lassen uns manchmal auch scheiden. Familien leben heute vielerorts anders zusammen als vor 40 Jahren. Die allermeisten wollen auch Familie, nur eben auch noch Reisen, Karriere, Freunde undundund. Diese vielfältigen Bedürfnisse werden wir auch nicht einfach wieder zurückschrauben. Die europäische Gemeinschaft hat uns nicht mit Milliarden Euros zum Studieren ins EU Ausland geschickt, um den Austausch danach zu stoppen. Wir haben viele Möglichkeiten und wir nutzen sie.

Nur ein Bereich scheint von dieser Entwicklung bisher abgekoppelt zu sein. Die Pflege. Was bleibt hängen, wenn wir an Pflege denken? Kontrollen, Protokolle, ein mulmiges Bauchgewühl. Als Menschen sind wir die Meister der Vernetzung, nur in der Pflege gelingt uns das nicht so recht. Wir dokumentieren, misstrauen und kontrollieren lieber. Die Pflegekraft ist bisher kein Team, sie besteht aus Einzelkämpfern und Einzelkämpferinnen, die oft bis an ihre Grenzen gehen. Vom Fachkräftemangel lesen wir nur all zu oft. Dabei ist allen klar, dass wir doch viel erreichen können, wir einfach nur das Pflegeteam um einen Bedürftigen vernetzen. Die Angehörigen kennen die Person in der Pflege am besten, die Pflegekraft ist mit ihrem Fachwissen täglich an der Seite des Seniors, die verschiedenen Ärzte bringen weiteres Knowhow in die Runde. Nur wenn wir nicht mehr alle unter einem Dach leben, laufen sich diese Akteure nicht mehr so häufig über den Weg.

Die gesammelten Erwartungen an den Workshop.

Viel Wissen, viele Entscheidungsvorlagen und Ideen bleiben in Gedankenwelten. Wer mit Pflegekräften spricht und wissenschaftliche Paper liest, weiß, dass sich mehr als 75 Prozent der Stürze bei Senioren vermeiden lassen. Nur wie sich die Risikofaktoren anpacken lassen, zu dem Austausch kommt es nicht oft genug. So stürzen jedes Jahr mehr als 30 Prozent der Ü65-Jährigen mindestens ein Mal. Das können wir nur gemeinsam ändern – gerade weil sich die Risikofaktoren aus körperlichen, geistigen wie wohnlichen Faktoren zusammen.

Wie bewegen wir uns also als Pflegebranche, als Familien als Ärzte dahin, dass wir uns besser vernetzen? Wie können wir digitale Technologien zulassen, ohne Angst vor der eigenen Überflüssigkeit zu bekommen?

Wir alle wollen zu Hause leben, so lange es geht – personalisierte Pflege ohne Stoppuhr ist gefragt. Nur wie bringen wir Wunsch und Wirklichkeit im deutschen Pflegesystem zusammen?

All diese Fragen haben wir in Bad Wimpfen gestellt. Die großen Wohlfahrtverbände suchen jetzt mit Start-ups wie Lindera Antworten darauf. Ich bin gespannt, wo wir in drei, in sechs und in neun Monaten stehen. Wir haben gemeinsam viel vor! #Teamwork