Gastbeitrag von Michaela Niclaus zum Tag der Pflege – zur aktuellen Lage und zur Zukunft der Pflege

12. Mai 2017 von Diana Heinrichs

Der Internationale Tag der Pflege steht im Zeichen von Themen, die immer wichtiger werden, aber in der Öffentlichkeit noch zu wenig Aufmerksamkeit erhalten: Die Pflege kranker und alter Menschen, die prekäre Situation in den Pflegeberufen und die Belastungen der pflegenden Angehörigen.

Florence Nightingale hat Vorbildfunktion als Begründerin einer modernen Pflege

Der Internationale Tag der Pflege wird am Geburtstag von Florence Nightingale (1820 – 1910) begangen, die die Krankenpflege, wie wir sie heute kennen, maßgeblich geprägt und zu ihrer Professionalisierung beigetragen hat. Nightingale hatte sich bereits früh zur Krankenschwester berufen gefühlt und alles darangesetzt, diesen – zur damaligen Zeit gesellschaftlich geächteten – Beruf zu erlernen. Auf Reisen mit ihren wohlhabenden Eltern hatte sie immer wieder Krankenhäuser besucht, entscheidende Erfahrungen machte sie in der Kaiserswerther Diakonie. In London gründete sie Anfang der 1850er ein Pflegeheim und erwarb sich große Verdienste während des Krimkrieges im Lazarett von Scutari, wo es am Nötigsten mangelte, um die Verwundeten zu behandeln. Nightingale erwies sich bei der Behebung der Defizite als unermüdlich und zeigte ein ausgeprägtes organisatorisches Talent.

Nach ihrer Rückkehr nach England legte sie in den Büchern „Notes on Hospitals“ und „Notes on Nursing“ pointiert dar, wie Krankenanstalten auszusehen haben und wie Krankenpflege zu gestalten ist. 1860 eröffnete sie am Londoner St. Thomas‘ Hospital die Krankenpflegeschule „Nightingale School of Nursing“, in welcher großer Wert auf eine praxisnahe Ausbildung gelegt wurde. Darüber hinaus setzte sie sich fortwährend für Verbesserungen in der Armen- und Gesundheitsfürsorge ein.

Pflege in der Gegenwart

Florence Nightingale führte ein Leben im Dienste des Gemeinwohles und dient heute als Vorbild dafür, dass durch Einsatz, Geschick und Beharrlichkeit vieles möglich wird. In der Kranken- und Altenpflege hat sich in den vergangenen 150 Jahren manches geändert und in den letzten Jahrzehnten wurden mehrere Initiativen gestartet, um die wachsende Bedeutung der Pflegeberufe zu betonen und um sie attraktiver zu machen. Andererseits werden in vielen Bereichen die finanziellen Mittel gekürzt und an Personal gespart. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit von Pflegeinrichtungen bringt es mit sich, dass die Anforderungen an die Pflegekräfte zunehmen, die Qualität der Pflege sinkt und die Zeit für individuelle Patientenzuwendung abnimmt.

Pflegenotstand ist kein drohendes Zukunftsszenario, sondern bereits bittere Realität: Allein in Bayern leben derzeit 300.000 und im gesamten Land 2,5 Millionen Menschen, die der Pflege bedürfen, aber zigtausende Fachkräfte fehlen. Angehörige engagieren sich zwar in der Pflege, sind jedoch dadurch gezwungen, andere Familienmitglieder zu vernachlässigen und auf eine berufliche Karriere zu verzichten – sie bedürfen der finanziellen und der fachlichen Unterstützung. Erschwerend kommt hinzu, dass mit der höheren Lebenserwartung auch der Anteil der pflegebedürftigen Personen, im

Besonderen die Zahl jener steigt, die sowohl unter körperlichen Beschwerden als auch unter der Demenzerkrankung leiden.

Zukünftige Herausforderungen

Statistiken zufolge werden 2030 ca. 3,4 Millionen und 2050 ca. 4,5 Millionen Menschen in Deutschland auf Pflege angewiesen sein, geschätzte 3 Millionen Menschen werden an Demenz erkrankt sein. Altenpflegerinnen und Altenpfleger werden vermehrt gebraucht, derzeit sind es bundesweit etwa 700.000 Menschen, bis 2050 wird sich die Zahl verdoppeln.

Die jetzt in diesem Sektor tätigen Fachkräfte leiden unter geringer Anerkennung und unter Überbelastung. Die Zeit, die sie für jeden Patienten aufwenden dürfen, ist streng standardisiert und limitiert, orientierungslose Demenzpatienten benötigen jedoch mehr Zeit und Energie. Abgesehen davon ist die Altenpflege schlechter entlohnt als die herkömmliche Krankenpflege. Darunter leidet die Attraktivität des Berufsstandes, potentielle Interessenten an der Altenpflege springen ab.

In der gegenwärtigen Diskussion über die Reformierung der Pflegeausbildung gehen einige davon aus, dass eine einheitliche Ausbildung der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege eine Optimierung darstellt, da auf diese Weise Berufswechsel künftig erleichtert werden. Experten erklären zudem, dass Pflegekräfte in Zukunft über Kompetenzen in der allgemeinen Krankenpflege wie auch in der speziellen Altenpflege und in der Pflege von Demenzpatienten verfügen müssen. Für den Umgang mit Demenzkranken bedarf es spezifischer Kenntnisse, pflegende Angehörige sind diesbezüglich oft heillos überfordert.

Abschließende Bemerkungen zum Zweck des Tages

Die gesellschaftliche und die demographische Entwicklung läuft darauf hinaus, dass in Zukunft ein erhöhter Bedarf an finanziellen Mitteln, an Pflegeeinrichtungen und an Pflegefachkräften bestehen wird. Der Tag der Pflege ist eine gute Gelegenheit, um auf die Nöte in diesem Bereich hinzuweisen. An diesem Tag lenken jene Einrichtungen, die mit der Pflege kranker und alter Menschen betraut sind, die Aufmerksamkeit auf die wertvollen und unverzichtbaren Dienste, die sie leisten und auf die Missstände, die es zu beheben gilt. Der Pflegenotstand ist ein zentrales Thema, aber der Tag dient unter anderem auch dazu, ins Gespräch zu kommen und Angehörige von zu pflegenden Familienmitgliedern (über finanzielle Beihilfen, Betreuungsmöglichkeiten etc.) zu informieren.

Die Herausforderungen hierzulande haben sich im Laufe der Zeit gewandelt, aber in anderen Teilen der Welt ist der Internationale Tag der Pflege den Kämpfen gegen Kindersterblichkeit und gegen Erkrankungen wie Malaria und Aids gewidmet. Dem in den UN-Sozialpakt aufgenommenen „Recht auf Gesundheit“ (Art. 12) steht entgegen, dass viele Menschen nach wie vor keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen und zu grundlegender medizinischer Versorgung haben.

Zur Autorin

Michaela Niclaus ist Inhaberin der Pflegevermittlungsagentur „help4seniors“ (www.help4seniors.de) in Düsseldorf, welche mittlerweile seit über 10 Jahren in der Pflegebranche tätig ist und 24-Stunden-Pflegekräfte für die Pflege zu Hause vermittelt. Michaela Niclaus hat alltäglich Kontakt mit pflegebedürftigen Menschen und Angehörigen und verfolgt stets die aktuellen Entwicklungen in der Pflegebranche.