Die Münchner „Polizeirufe“ mit Matthias Brandt in der Rolle des Hanns von Meuffels sind nie leichte Kost. Der vom vergangenen Sonntag hängt mir immer noch nach. „Nachtdienst“ spielt hauptsächlich während desselben in einem Münchner Altenheim. Meuffels bringt die von dort entlaufene Elisabeth Strauß zurück, die auf dem Revier einen Mord gemeldet hat. Die alte Dame ist indes dement und Meuffels weiß alsbald nicht mehr, was er wem glauben kann.
Der Kommissar verbringt die Nacht mit den Bewohnern des Altenheims und dem, wie sich rasch herausstellt, restlos überlasteten Pflegepersonal. Die Frau, deren kleiner Sohn auf der Station schläft (weil das immer noch besser ist als zuhause einsam zu sein) und ihre beiden Kollegen haben nie die Zeit, sich ausreichend um die größtenteils schwer verwirrten und / oder gebrechlichen alten Menschen zu kümmern, die dann eben notgedrungen medikamentös ruhiggestellt oder ans Bett fixiert werden.
Eine Sonderrolle nimmt ein alter Mann ein, der einst als Scharfschütze selbst im Polizeidienst gearbeitet hatte. Claus Grübner ist noch vollkommen klar im Kopf, wird aber immer wieder von grässlichen Schmerzattacken gequält. „Schau ruhig hin, so geht es zu Ende“, sagt der vom mittlerweile selbst 84-jährigen großen Ernst Jacobi bedrückend intensiv gespielte Pensionär. Seit Jahren bemüht Grübner sich, auf die Missstände in dem Heim aufmerksam zu machen, mehr Pflegepersonal zu bekommen. Vergebens.
Schließlich stellt sich heraus, dass auf der Pflegestation tatsächlich ein Mord passiert ist. Die Pflegerin hat die sexuellen Übergriffe eines der Bewohner nicht länger ertragen. Meuffels will sie daraufhin zur Polizeiwache bringen, um ihre Aussage aufzunehmen. Als er gerade mit der Frau aus dem Auto steigen will, geht ein Notruf ein – aus dem Heim wird eine Schießerei gemeldet.
Meuffels rast mit seiner Verdächtigen und ihrem Sohn durch das nächtliche München zurück und trifft noch vor dem ebenfalls alarmierten SEK am Ort des Geschehens ein. Zu spät allerdings – der greise Ex-Polizist hat etliche seiner Leidensgenossen und schließlich sich selbst in einem kathartischen Massaker gerichtet und lässt den Kommissar ebenso wie die Zuschauer rat- und hilflos zurück.
Einmal mehr übernimmt ein Fernsehkrimi die Aufgabe, gesellschaftliche Missstände für eine breite Öffentlichkeit zu thematisieren – den Politmagazinen haben „Tatort“ und „Polizeiruf“ (und gern auch mal „Außer Atem“ mit Senta Berger bei ARTE und ZDF) diese Rolle gefühlt längst abgelaufen. Eindrücklicher wurde der Pflegenotstand selten geschildert, das ist jedenfalls mein persönliches Fazit.
„Nachtdienst„, eine Regiearbeit von Rainer Kaufmann („Die Apothekerin“, „Operation Zucker“) übrigens, ist noch bis zum 6. Juni 2017 in der ARD-Mediathek verfügbar. Allerdings nur zwischen 20 und sechs Uhr, da für Jugendliche unter zwölf Jahren für nicht geeignet befunden (was gewiss stimmt, aber die können den Film ja aufnehmen und jederzeit auch tagsüber gucken, die Beschränkung ist weltfremd).
Ein Gastbeitrag von Thomas Cloer
Thomas Cloer ist Jahrgang 1965 und lebt in München. Nach 20 Jahren Tech-Journalismus arbeitet er mittlerweile in der Unternehmenskommunikation, bloggt privat auf teezeh.de und twittert als @teezeh.
Bildquelle: ARD Mediathek