Es könnte so schön sein: die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation. Seit dem Jahr 2014 fördert das Bundesministerium für Gesundheit eine verschlankte Pflegedokumentation mit einem umfassenden Projekt. Das Resultat soll eine neue Datenstruktur sein, die weder die Pflegequalität vernachlässigt noch über die Datenstruktur haftungsrechtliche Risiken erzeugt. Von den „Betroffenen“ nehmen 34 Prozent der ambulanten Pflegedienste (insgesamt 13.500) und 39 Prozent der deutschlandweiten 12.400 Pflegeheime teil. Bisher war es eher so, dass alles was nicht niet-und-nagelfest war, dokumentiert wurde, um haftungsrechtliche Ansprüche ausschließen zu können. Das diente eher der Rechtsprechung als der Pflege. Das sogenannte Ein-STEP-Modell (Ein-STEP steht für Einführung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation) läuft seit Anfang 2015 und soll im Oktober 2017 abgeschlossen sein. Dabei soll der Fokus nicht auf der Entlastung oder Kosteneinsparungen der Kostenträger (Kranken- und Pflegeversicherung) liegen, sondern die Entlastung der Pflegenden steht im Fokus. Diese hätten demzufolge mehr Zeit für die Pflegebedürftigen. Ob die aufgrund der verkürzten Dokumentation tatsächlich eingesparte Zeit dann auch tatsächlich für die Pflegebedürftigen eingesetzt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Der Abschlussbericht der beurteilenden Kommission beträgt immerhin 101 Seiten. Dass sich Ämter und Behörden gerne in ihren Projekten über die Anzahl der abgelieferten Seiten definieren, ist bekannt. Ich habe den Bericht gelesen, zunehmend mit einem unguten Gefühl. Das so bekannte Sturzrisiko, im Bericht unter der Rubrik „Phänomen Sturzrisiko pro Versorgungsart“ genannt, listet 15 mögliche Merkmalsausprägungen auf, die alle dokumentiert werden könnten. Was hat denn der einzelne Pflegebedürftige davon, das nun die Merkmalsausprägungen in allen Varianten klassifiziert sind? Nichts, rein gar nichts. Deswegen stürzt er nicht seltener. Die Frage ist doch, wie sieht die Prophylaxe aus. Genau dieses Ergebnis müsste dokumentiert werden. Insofern ist es tatsächlich fraglich, ob eine verschlankte Dokumentation die Pflege zugunsten der Pflegebedürftigen verändern kann. Schön ist natürlich, dass die Dokumentation zukünftig systemgestützt ablaufen könnte. Dabei liegt es immer noch beim Anwender, also dem Pflegepersonal, was wie und wann eingetragen wird. Fehleranfällig ist das immer noch. Zu begrüßen ist, dass das handschriftliche Datenchaos beendet wird.
Gerade letzte Woche habe ich im Pflegeheim gesehen, dass in das handschriftliche Datenblatt „Medikation“ am 28.4.2016 aus dem Jahr 2015 übertragen wurde. Mithin vier Monate, nachdem das Jahr begonnen hat. Wo bleibt da die Aktualität, Verlässlichkeit und Information in diesem so wichtigen Stammdatenblatt? Intelligente Datensysteme könnten Abhilfe schaffen. Die so häufig geforderte Digitalisierung von Prozessabläufen in der Wirtschaft ist auch in der Pflege möglich. Zusammen mit der Kompetenz der Pflegenden könnte dies die Lebensqualität der Pflegebedürftigen entscheidend verändern.