Wie können wir die Arbeit in der Pflege entlasten, die Versorgung Pflegebedürftiger verbessern und pflegende Angehörige ambulant gezielter unterstützen? Diese Fragen stellen wir uns bei Lindera jeden Tag. Zusammen mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen der Pflege- und Gesundheitsbranche haben wir über wegweisende Maßnahmen in der Gesundheitsversorgung gesprochen und eine inspirierende Gastbeitragsreihe initiiert. Welche Schritte wir im kommenden (Pflege-)Jahr gehen müssen und welche Erwartungen wir dabei an digitale Innovationen in puncto Entlastung stellen dürfen, das verraten unsere Gastautor*innen in folgenden Prognosen.
Viel Spaß beim Lesen!
2022 wird das Jahr der Pflege. DiPA werden zur Erhöhung der Pflegequalität angesichts der Personalknappheit und der verdichteten Pflegezeit des Personals beitragen. Für die rund fünf Millionen ehrenamtlich pflegenden Angehörigen in Deutschland werden DiPA ein wichtiger Baustein sein, die häuslich-pflegerische Belastungssituation zu verbessern. Insgesamt werden mehr hybride Konzepte Einzug in die Versorgung halten, um Pflegebedürftigen die beste Unterstützung aus zwei Welten, analog und digital, zu gewährleisten und unserem System zu einer neuen Patientenzentriertheit zu verhelfen. Insbesondere da, wo wir die größten Herausforderungen durch eine alternde Gesellschaft, Chronifizierung von Erkrankungen und Versorgungslücken wie beispielsweise im ländlichen Raum erleben. Wir werden Experten über Telekonsile enger verknüpfen, digitale Therapien mit Sensoren und Wearables einsetzen, in der Dokumentation die Health Care Professionals entlasten und vor allem bessere Datengrundlagen schaffen.
Dr. Anne Sophie Geier
Geschäftsführerin Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V.
Wenn wir Pflege und Betreuung nicht endlich den Raum geben, den es braucht, wird niemand mehr da sein, der uns im Alter pflegt und betreut. Und schon in meiner Generation sieht es eng aus. Ich erlebe es jeden Tag – und prognostiziere, dass einer der Dreh- und Angelpunkte in 2022 im Bereich Führung liegt. Das hier wird wegweisend: Seht die Mitarbeiter*innen, die da sind, fragt nach, hört zu und befähigt sie, selbst Lösungen zu finden und dabei auch noch kreativ zu sein. Ich nenne das Co-Kreation. Als Führungskraft muss ich so gut arbeiten, dass meine Mitarbeitenden gut arbeiten können. Wir tragen gemeinsam eine Verantwortung, Menschen zu versorgen. Digitale Tools sind dabei ein Ergebnis: Für eine bessere Zusammenarbeit über Hierarchien, Fachbereiche und Schichtwechsel hinweg. Um Mitarbeiter*innen zu befähigen, ihre Arbeit effizient ergänzen zu können. Und um die Pflege für junge Nachwuchskräfte attraktiv zu gestalten. Die Pflege braucht das.
Daniela Thimm
Pflegedienstleitung Haus Gartenstadt, Berlin-Rudow
Wenn uns das vergangene Jahr eins gezeigt hat, dann, dass Versorgungskonzepte mit intelligenten Technologien nicht mehr wegzudenken sind. Im kommenden Jahr wird es darum gehen, pflegerische Betreuungsleistungen durch Telepräsenzsysteme zu erweitern. Die Pflege kann mittels IT Kommunikationspartner sein und pflegende Angehörige, Pflegebedürftige und Kolleg*innen gleichermaßen unterstützen. Für Telemedizinische Ansätze müssen allerdings dringend Infrastrukturen wie flächendeckendes Internet, insbesondere im ländlichen Raum geschaffen werden. Weiterhin werden wir verstärkt auf intelligente Wohnkonzepte setzen: Sensoren können Auffälligkeiten und unerwünschte Ereignisse registrieren und melden. Smarte Tools unterstützen so den Pflegealltag und vermitteln Senior*innen sowie Pflegekräften mehr Sicherheit. Insgesamt werden pflegerische Einrichtungen Gutes daran tun, Effizienzpotenziale über EDV-gestützte Dokumentationssysteme auszubauen, um Arbeitsprozesse in der Pflege zu verschlanken, Vernetzungen zu verbessern und Zeiteinsparungen zu erlauben, die Pflegenden mehr Zeit für die soziale Betreuung einräumen. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist eine Erleichterung bürokratischer Aufwände dringend hinfällig.
Susan Vorwerg
AG Alter und Technik der Forschungsgruppe Geriatrie der Charité
Ich erwarte in 2022 deutlich mehr innovative Versorgungsprojekte, die dazu beitragen, das pflegerische Personal zu entlasten. Dort, wo bereits digitale Systeme im Einsatz sind, erfordern diese meist noch den Finger auf dem Touchpad. Pflegekräften den Rücken freizuhalten, heißt, ihnen die Hände freizuhalten – durch Anwendungen, die im Hintergrund mitlaufen. Ein Beispiel ist Arbeitskleidung, die über Sensoren Fehlhaltungen bei pflegerischen Tätigkeiten erkennt. Auch sprachgesteuerte Software hat im Pflegebereich in meinen Augen noch viel Potenzial. Aufseiten der Pflegebedürftigen wird es zukünftig besonders darum gehen, über digitale Anwendungen soziale Interaktion zu erhalten. Die Pandemiesituation hat umso deutlicher gezeigt, dass Einsamkeit ein hohes Gesundheitsrisiko darstellt.
Prof. Dr. Volker Amelung
Geschäftsführer inav – privates Institut für angewandte Versorgungsforschung GmbH