Wenn wir uns überlegen, was uns Angst macht, stehen Hilflosigkeit und Entmündigung ganz oben. Im Alter nennen wir dies: Pflegefall. Für 50 Prozent der Deutschen gehört dieses Szenario zu den größten Bedrohungen. Wir haben Angst, den Kindern einmal zur Last zu fallen. Wie viele Partys feiert die Generation 50plus und spricht am Ende des Abends über pflegebedürftige Eltern, die eigenen Vorstellungen vom Leben im Alter oder Demenz? Viele. Doch wie passen gefühlte Angst und tatsächliche Realität zusammen? Was sind die Wege, damit umzugehen? Was wir in Zahlen, Daten und Fakten wissen:
Bei einem Renteneintritt mit 65 Jahren bleiben Männern im Schnitt 17,4, Frauen 20,7 Lebensjahre.
Erst mit 80 bis 85 wird das, was in Deutschland als Pflegebedürftigkeit beschrieben wird, die Einschränkung in der Selbstständigkeit, zu einem verbreiteten Phänomen.
70 Prozent der Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause versorgt – und dort überwiegend von Angehörigen.
Heute betreuen 1,43 Millionen pflegende Angehörige 1,6 Millionen pflegebedürftige Menschen in ihrem Zuhause.
38 Prozent der erwachsenen Kinder von Pflegebedürftigen wohnen in Laufnähe zu ihren Eltern.
Im ländlichen Bereich sind es 87 Stunden familiäre Pflege pro Woche durch Angehörige, Nachbarn, Freunde. Wenn der zu Pflegende in einem stabilen Netzwerk lebt, erhält er oder sie 36 Stunden in einem städtisch geprägten Ort.
Diese Zahlen und Fakten hat Prof. Dr. Thomas Klie in seinem Buch „Wen kümmern die Alten? Auf dem Weg in eine sorgende Gesellschaft“ zusammengetragen. In einem Satz zusammengefasst sagen sie uns: Die Wahrscheinlichkeit, ein Pflegefall zu werden und die Angehörigen nicht um sich herum zu haben, ist äußerst gering. Auch verfügt „(k)ein anderes nord- und westeuropäisches Land (…) über einen so hohen Anteil an pflegenden Angehörigen wie Deutschland“, so Prof. Dr. Klie. Dass der Staat regelmäßig Haus und Erbe für die Pflege schluckt, lässt sich statistisch nicht belegen. Und wie viele Beispiele aus unserem Umfeld können wir nennen, in denen das der Fall ist?
Für die Einsamkeit fallen uns dagegen wahrscheinlich mehr Beispiele ein. In der Stadt noch eher als auf dem Land. Was sind die Gründe dafür? Fest steht, unser Leben spielt sich immer digitaler ab. Nur wie sehr nutzen wir all die kleinen technischen Helfer und Möglichkeiten, um mehr Nähe, Teilhabe und weniger Bürokratie zu schaffen? Wir bemühen uns redlich. Michaels Großmutter ist via Skype auf seiner Reise nach Dubai dabei. Hausnotrufsysteme und Sensormatten sorgen für Sicherheit ohne Beobachtung und Bevormundung. RetroBrain, ein Gemeinschaftsspiel für Menschen mit Demenz, macht Senioren so süchtig wie ihre Enkel nach Computerspielen. Viele kleine Ansätze, die Menschen näher, selbstbestimmt und sicher zusammenbringen.
Doch was sind die nächsten großen Schritte? Wie schaffen wir es, dass Pflege nicht zu einem signifikanten Anteil auch Papierkram bedeutet? Technologische Kniffe helfen uns, mehr Zeit fürs gemeinsame Kartenspielen zu lassen. Wir haben noch so viele Antragsverfahren vor uns, die sich für mehr als 20 Millionen Senioren in Deutschland vereinfachen lassen. Wie räumen wir die Stolpersteine von ständig neuen Passwortabfragen am Computer aus und denken intuitiver bei der Entwicklung von Sicherheitstechnologien? Unter den bestehenden Apps sehe ich wenig Potential, doch Fingerabdrücke und Augenleser müssen doch langsam soweit sein, uns im Seniorenalltag zu helfen.
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