Freundschaft

21. September 2017 von Diana Heinrichs

Vermutlich denken wir erst mal, dass wir alle das gleiche unter „Freundschaft“ verstehen. Dem ist aber nicht so, denn „Freundschaft“ ist eine soziale Konstruktion, die sozio-kulturelle Unterschiede aufweist. Je nachdem, wo ich z.B. lebe, welches Alter oder Geschlecht ich habe, fällt die Antwort mehr oder weniger anders aus.

Gemeinsam ist allen Antworten, dass Freundschaften freiwillig sind und auf Gegenseitigkeit beruhen. Enge Freundschaften zeichnen sich zudem durch eine gewisse Ähnlichkeit aus. Diese Ähnlichkeit ist z.B. das gleiche Alter, die gleichen Interessen oder ein ähnlicher Lebensstil. (vgl. Höflinger 2014:13) Ich würde sagen, dass man mit einem Freund oder einer Freundin irgendwas gemeinsam haben muss, dass uns verbindet. Der Grad dieser Gemeinsamkeit bestimmt die Tiefe der Beziehung. Bei einigen sehr langen Freundschaften ist das vielleicht „nur“ noch eine gemeinsame Vergangenheit und Erlebnisse, die man teilt oder geteilt hat. Ich habe das Gefühl, dass diese Beziehungen familiären Beziehungen immer ähnlicher werden.

Wen ich als meinen Freund oder meine Freundin bezeichne ist nicht nur in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich, sondern ändert sich auch im Laufe unseres Lebens. Ich habe das Gefühl, dass man in jungen Jahren flexibler ist und der vermutlich größte Einflussfaktor für Freundschaft das Alter ist. Heute zählen Gemeinsamkeiten in Einstellungen und im Lebensstil zu den wichtigsten Faktoren für neue Freundschaften, das Alter verblasst zusehends.

Dazu können kritische Lebensereignisse Freundschaften gefährden, neue begründen oder alte reaktivieren (vgl. Höflinger 2014:13). Zu solchen Ereignissen zählen Umzüge, Heirat, Scheidung, Kinder oder ein neuer Job / eine neue Ausbildung. (vgl. Artikel im Spiegel) Ich habe das Gefühl, dass z.B. ein Umzug auch aufzeigt, wer eigentlich wirklich wichtig ist in meinem Leben. Denn mit diesen Leuten bleibt der Kontakt und die Freundschaft bestehen, trotz der räumlichen Distanz. Es gibt Menschen, die kann ich Monate oder sogar Jahre nicht sehen, aber sobald wir den Telefonhörer in der Hand haben, Skype eingeschaltet haben oder uns sehen, ist es, als ob keine Minute dazwischen vergangen ist. Mit diesen Freunden teile ich nicht mehr meinen Alltag, aber mein Leben!

In dem oben genannten Artikel im Spiegel ist eine weitere Erkenntnis, dass wir zwar im Laufe unseres Lebens immer wieder neue Menschen kennenlernen und damit auch zusätzliche Freunde gewinnen können, unser Freundeskreis aber mit den Jahren schrumpft. Während im Jugendalter das Netzwerk noch wächst, setzt bereits im jungen Erwachsenenalter der erste Schwund ein. Das liegt möglicherweise auch daran, dass wir unflexibler werden und weniger Zeit zur Verfügung haben, unsere Freundschaften zu pflegen. Dabei geht es bei Freundschaften ja nicht um die Quantität, sondern um die Qualität und die nimmt aus meiner Erfahrung mit dem Alter zu.

Unser Freundschafts-Netzwerk wird im Laufe unseres Lebens auch deshalb an Bedeutung gewinnen, weil Familien heute vielfach nicht mehr an einem Ort Leben. Auch wenn ich glaube, dass man trotz der Distanz eine emotional tiefe und stabile Bindung zu seiner Familie halten kann, lebt man weniger Alltag miteinander und kann aufgrund der räumlichen Distanz z.B. keine Aufgaben mehr für den anderen übernehmen. Damit werden Freunde auch für die Unterstützung im Alltag wichtiger. Ich bin z.B. unendlich dankbar, dass meine Freunde ab und zu auf meinen Sohn aufpassen, weil seine Großeltern sehr weit weg wohnen und mich dahingehend nicht unterstützen können.

Aber auch ohne physisch auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, sind Freundschaften gerade im Alter wichtig. Laut einer Studie hat sich das Freundschaftsnetz älterer Menschen zwischen 1979 und 2011 signifikant ausgeweitet. Dabei hängt die Aktivität der älteren Menschen mit der Anzahl der Freunde zusammen. Aktive Menschen weisen mehr Freunde auf oder Menschen mit Freunden sind aktiver (vgl. Höflinger 2014: 13f.). Wie herum man es auch dreht, wir brauchen im Alter Menschen, die uns begleiten und denen wir Vertrauen, Menschen für die es sich lohnt, dass wir unser gewohntes zuhause verlassen.

Um gesund und glücklich zu sein braucht es soziale Kontakte, in jedem Alter. Unsere Freundschaften sollten wir daher pflegen, unseren Freunden ab und zu mal danken und uns auch ohne gewichtigen Grund melden. Das werde ich machen: Briefe schreiben, telefonieren und Wochenendreisen zu meinen Freunden planen – damit wir uns nicht aus den Augen verlieren und ich zeigen kann, wie wichtig sie mir sind!