Statement zur Ablehnung unseres DiPA-Antrags: Pflege braucht realistische Anforderungen und echte Perspektiven

19. November 2024 von Diana Heinrichs
  • KI-basierte Sturzpräventions-App von LINDERA wurde trotz positiver Studienergebnisse nicht als DiPA zugelassen. 
  • Aktuelle Bewertungsansätze ignorieren die komplexen Realitäten der Pflegepraxis.  
  • Steigende Sturzunfälle zeigen die Notwendigkeit, Pflege durch digitale Innovationen zu stärken. 

Berlin, 19. November 2024 – LINDERA hat Pioniergeist bewiesen: Als KI-basierter Medizinprodukthersteller haben wir Anfang des Jahres für unsere Mobilitätsanalyse per App zur Sturzprävention den ersten Antrag auf Aufnahme ins Verzeichnis für Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) beim BfArM eingereicht. Am 14. November 2024 wurde unser Antrag abgelehnt – trotz einer erfolgreichen Zulassungsstudie mit mehr als 150 Probanden und umfassenden Antworten auf mehr als 140 BfArM-Nachfragen. Dieser Rückschlag verdeutlicht ein Grundproblem: Pflege braucht eigene Bewertungsmaßstäbe. 

Die Ablehnung zeigt einmal mehr: der Pflegebereich kann nicht mit Kriterien aus der Pharmalogik bewertet werden. Der bloße Blick auf wissenschaftliche Evidenz ohne Einbinden pflegefachlicher Kompetenz lässt keinen Raum für die Realitäten des Pflegealltags. In der Pflegepraxis existieren unvermeidbare Einflussfaktoren, die in wissenschaftlichen Studiendesigns nicht vollständig berücksichtigt werden können. Gleichzeitig bleibt die Dringlichkeit, innovative Lösungen für die Pflege zu finden, unberührt – denn die Zahl tödlicher Stürze zu Hause hat sich laut dem Statistischen Landesamt NRW in den letzten zehn Jahren verdoppelt. 

IT.NRW
NRW: Anstieg der Todesfälle durch nicht natürliche Todesursachen im Jahr 2023
Die Ablehnung im Detail: Regulierungsansprüche versus Pflegepraxis 
  1. Pflege als multifaktorielle Realität: Das BfArM bemängelt fehlende Kontrolle über nicht vollständig standardisierte und komplexe Faktoren wie Sturzberatung oder die bestehende Pflegesituation. Dabei sind diese gesetzlich vorgegeben und ein Teil jeder Pflegesituation – ein Umstand, der nicht dem Einfluss von DiPA-Herstellern unterliegt. Unsere Ergebnisse zeigen dennoch eine signifikante Reduktion individueller Sturzrisiken. 
  2. Unrealistische Studiendesignforderungen: Die Forderung nach einer standardisierten, kontrollierten Studienumgebung widerspricht den rechtlichen Vorgaben des elften Sozialgesetzbuch (§§ 14 Abs, 2, 40 a SGB XI). Diese sehen evidenzbasierte Studien im realen Pflegesetting vor. Gerade in der Pflege, die von unterschiedlichsten Ressourcen und individuellen Voraussetzungen geprägt ist, können solche Designs die Realität nicht abbilden. 
  3. Fehlende Einbindung pflegefachlicher Perspektiven: Trotz erfolgreicher Ergebnisse wird angezweifelt, ob die App überhaupt als DiPA zugelassen werden kann. Ohne pflegefachliche Expertise im Bewertungsprozess bleibt der Fokus einseitig und lebensfern. Der DiPA Leitfaden, erstmals am 04. November 2022 vom BfArM veröffentlicht, führt sogar eine App zur Sturzprävention als Beispiel für eine DiPA an.  
  4. Technologieoffenheit wird nicht berücksichtigt: Die gesetzliche Vorschrift zur DiPA ist technologieoffen formuliert. Dem trägt die administrative Auslegung im LINDERA Verfahren mit einem vorfestgelegten Anforderungsprofil keine Rechnung. 
Gesetzgeber und Pflegeverbände müssen gemeinsam handeln 

Mit dem Pflegekompetenzgesetz, das mit dem Ende der Regierung vorerst auf Eis gelegt ist, gab es Ansätze, strukturelle Probleme anzugehen, etwa durch ein Erprobungsjahr ähnlich wie bei DiGAs. Doch das reicht nicht aus:

  • Ohne pflegefachliche Kompetenz in der DiPA-Bewertung bleiben der Prozess realitätsfern und der Anspruch der Menschen auf Digitale Pflegeanwendungen unerfüllt. 
  • Es wird immer Einflussfaktoren geben, da Pflege kein isoliertes System ist. Gerade deshalb brauchen wir realitätsnahe, pragmatische Bewertungsmaßstäbe. 
  • Der Fokus auf Evidenz allein greift zu kurz – insbesondere, da gesetzlich vorgeschriebene Angebote wie Sturzberatung und Pflegeleistungen keine Sturzepidemie verhindert haben. 
Stürze zu Hause: ein wachsendes Problem 

Die Zahlen sprechen für sich: Allein 2021 gab es in Deutschland laut statista mehr als 16.000 tödliche Stürze im häuslichen Umfeld. Obwohl die Sturzberatung ein Standard ist, steigt die Zahl kontinuierlich. Dies zeigt den dringenden Handlungsbedarf, Pflege mit digitalen Innovationen zu stärken. 

Christine Vogler, Vorsitzende Deutscher Pflegerat:

„Wir müssen als Profession unsere eigenen Institute und Gremien aufbauen. Wenn weiterhin die Medizin über die Pflege entscheidet, gehen wir an der Pflegerealität vorbei. Dass eine App zur Sturzprävention keine DiPA sein kann, ist für niemanden mit Praxisbezug nachvollziehbar.“ 

LINDERA wird sich weiterhin für eine zukunftsfähige Pflege einsetzen. Unsere Mission bleibt, mit KI-gestützten Lösungen die Sicherheit und Mobilität pflegebedürftiger Menschen zu verbessern – und damit Pflegekräfte wie pflegende Angehörige zu unterstützen.