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Pflege

Nicht jedes Nein ist ein Nein zur Digitalisierung – sondern ein Ja zu mehr Mitgestaltung

Karolina Dehmel
Karolina Dehmel |

Ein ehrlicher Erfahrungsbericht aus dem LINDERA-Alltag.

Wir stehen in einem zweiten Teams-Meeting an einem sonnigen Donnerstag. Zwei Pflegeeinrichtungen sind pünktlich dabei. Kamera an. Haltung abwehrend. Die Arme verschränkt. Die Kritik kommt routiniert, fast schon eingeübt: „Parkinson wird nicht erkannt. Dauert zu lange. Ist nur mehr Bürokratie.“ Es ist das dritte Mal, dass ich diese Punkte höre. Und ich verstehe sie – wirklich.

Manchmal liegen zwischen Begeisterung und Frustration nur zwei Klicks. Vom „Wow, das klingt super!“ zum „Das bringt uns gar nichts.“

Und ehrlich gesagt: Manchmal ist das vollkommen nachvollziehbar.


Es liegt nicht am Feature. Es liegt am Fundament.

Ich habe viel über dieses Gespräch nachgedacht. Wir hätten über unsere neuen Funktionen sprechen können:

  • Direktes Videofeedback? Kommt nächste Woche.
  • Upload-Statusanzeigen? Gibt’s.
  • Frühwarnsystem und Langzeitüberwachung? Erledigt.
  • Spezielle Module für Parkinson? In Entwicklung.
  • Vertiefte Integration mit Vivendi? Auf dem Weg.

Aber das war gar nicht das Problem.

Das eigentliche Problem war: Die LINDERA Mobilitätsanalyse wurde eingeführt – aber nicht eingebettet.

Kein gemeinsamer Workshop, keine Bedarfsanalyse, kein Dialog:

Gibt es bei uns überhaupt ein Problem rund um Mobilität und Stürze? Und wenn ja – wie wollen wir es lösen?

Stattdessen: Top-down. Entscheidung, Einführung, Erwartung.
Und dann sollen da plötzlich alle mitziehen.


Digitalisierung ist kein Software-Update. Sondern Kulturarbeit.

Was ich daraus mitnehme: Wir sind nicht in der Tech-Branche, wir sind in der Pflege. Und die ist komplex. Fragil. Von hoher Verantwortung geprägt. Und – zu Recht – sensibel gegenüber Veränderungen.

Man kann nicht einfach sagen: „Ab morgen machen wir das digital.“
Ohne die Menschen mitzunehmen, ohne Raum für Zweifel, ohne eine Brücke zwischen dem Warum und dem Wie zu schlagen.

Denn wenn wir das nicht tun, dann passiert genau das, was wir erlebt haben:
Die Menschen vor Ort machen mit – aber nicht mit Überzeugung, sondern mit Widerstand.


Besser ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende

Das habe ich in diesem Gespräch laut gedacht – und leise ausgesprochen.
Denn so sehr wir für das brennen, was wir tun: Wir wollen nicht irgendwo sein, wo wir nur stören. Wir wollen dort sein, wo wir etwas verändern dürfen.

Deshalb haben wir auch gelernt, besser zuzuhören. Klar zu sagen:
„Es klingt so, als ob Sie nicht gegen die Digitalisierung sind – sondern gegen den Weg, wie sie gekommen ist.“
Und manchmal braucht es dann kein weiteres Feature, sondern erstmal ein Stopp. Ein Zurück. Ein Neuanfang. Oder ein ehrliches: „Dann ist jetzt erstmal Pause.“


Was ich daraus gelernt habe?

Dass jeder Widerstand ein Signal ist. Und dass nicht jedes Nein ein Nein ist – sondern manchmal ein verkleidetes „Ja, aber bitte mit uns, nicht über uns.“

Ich glaube weiterhin an digitale Pflegequalität. Aber ich glaube auch:
Technologie, die Menschen nicht mitnimmt, wird keine Wirkung entfalten.

Und deswegen ist das kein Scheitern, sondern eine Einladung.
Zum nächsten Gespräch, zur nächsten Lernkurve, zur nächsten echten Partnerschaft.

Wir sind bereit. Und wir hören zu.

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